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Eigenbedarf aus familiärem Pflichtgefühl
Im dem zu Grunde liegenden Fall (LG Berlin – Az.: 64 S 280/21 – Urteil vom 11.05.2022) nahm der Vermieter die Mieter wegen Eigenbedarfs auf Räumung und Herausgabe in Anspruch. Zur Begründung trug der Vermieter vor, dass er die Wohnung gekauft habe, um seinen Schwestern die Gründung eines eigenen Haushaltes zu ermöglichen. Da die Schwestern noch Studentinnen seien und jeweils BAföG Leistungen beziehen, seien sie nicht in der Lage sich auf dem angespannten Berliner Wohnungsmarkt mit Wohnraum versorgen zu können. Der Vermieter trug insofern vor, dass er seinen Schwestern helfen wolle und sich auch aufgrund des engen Familienverhältnisses dazu verpflichtet sehe. Die Mieter bestritten das tatsächliche Vorliegen des behaupteten Eigenbedarfs.
Das Amtsgericht Berlin hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendete sich der Vermieter mit seiner Berufung.
Abweisung der Räumungsklage mangels substantiierten Sachvortrages
Ohne Erfolg! Das Berufungsgericht wies die Räumungsklage ab und schloss sich der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts an. Das Berufungsgericht war nicht davon überzeugt, dass der geltend gemachte Eigenbedarf tatsächlich bestand. Insbesondere vermochte es sich nicht mit Sicherheit davon zu überzeugen, dass der Vermieter tatsächlich aus reiner familiärer Verbundenheit handelte und es ihm beim Kauf der Wohnung sowie der Eigenbedarfskündigung ausschließlich um die Unterstützung seiner Schwestern gegangen sei.
Die geltend gemachte Eigenbedarfskündigung ist dem Grunde nach zwar wirksam
Zwar erfüllte das Kündigungsschreiben sowie der Sachvortrag des Vermieters die Voraussetzungen einer Eigenbedarfskündigung im Sinne des § 573 Abs.2 Nr.2 BGB. Auch zweifelte das Berufungsgericht nicht die Angaben der Schwestern des Vermieters im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung an. Vielmehr bezweifelte das Berufungsgericht nicht, dass die Schwestern des Vermieters nach erfolgreicher Vollstreckung eines stattgegebenen Urteils in die Wohnung einziehen würden. Auch spricht objektiv nichts dagegen, dass der Vermieter aus familiärer Verbundenheit bereit sei, einen erheblichen Teil seines eigenen Einkommens dem Unterhalt seiner Schwestern zu widmen. Das Berufungsgericht betonte dabei ausdrücklich, dass keinerlei Anhaltspunkte für eine gegen den Vermieter gerichteten Verdacht besteht, dass der geltend gemachte Eigenbedarf lediglich vorgetäuscht beziehungsweise vorgeschoben ist.
Dem Vermieter obliegt jedoch die volle Beweislast dafür, dass er den Eigenbedarf aus aufrichtigen Motiven geltend macht
Jedoch war das Berufungsgericht nicht mit der für eine Räumungsverurteilung erforderlichen Sicherheit davon überzeugt, dass der Vermieter tatsächlich aus aufrichtigen Motiven der familiären Verbundenheit handelte und es ihm beim Kauf der Wohnung sowie der Eigenbedarfskündigung tatsächlich um die Unterstützung seiner Schwestern ging. Da nach Auffassung des Gerichts nicht unerhebliche Restzweifel an den vorgetragenen Motiven des Vermieters verbleiben, war das Gericht im Ergebnis von der geltend gemachten Bedarfsabsicht nicht überzeugt.
Der schlichte Hinweis auf das familiäre Näheverhältnis reicht nicht aus
Zwar verkannte das Gericht nicht, dass der Vermieter vortrug, dass er zumindest mittelfristig auf einen erheblichen Teil seines Nettoeinkommens zugunsten seiner Schwestern aus familiären Gründen verzichten würde. Allerdings gab es keine Indizien oder Beweise für die vorgetragene Motivation des Vermieters. Insbesondere hatten die Schwestern des Vermieters im Rahmen der gerichtlichen Beweisaufnahme keinerlei Angaben dazu machen können, aus welchen Gründen der Vermieter, ihr Bruder, ihnen die Wohnung überlassen wollte. Dies haben die Schwestern unbeantwortet gelassen. Dies reichte für die notwendige Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit des behaupteten Eigenbedarfs nicht aus.
Es besteht eine strengere Beweislast in Fällen, in denen die Bedarfspersonen außerordentlich günstigere Konditionen angeboten bekommen
In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt sind Eigenbedarfskündigungen in den letzten Jahren Gegenstand zahlreicher Gerichtsverhandlungen geworden. Insbesondere müssen sich die Gerichte auch nicht selten mit vorgetäuschten beziehungsweise konstruierten Eigenbedarfskonstellationen befassen. Es haben sich zwischenzeitlich eine Vielzahl an Fällen herausgebildet, in denen Vermieter Eigenbedarfskündigungen durchsetzen und sich später herausstellt, dass diese lediglich vorgeschoben waren. Vor diesem Hintergrund ist Vermietern, insbesondere in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt, anzuraten, substantiierter zum Näheverhältnis und der geltend gemachten Bedarfsabsicht vorzutragen und diese auch beweisen zu können. Vermieter sollten hierbei auf alle möglichen Beweismittel zurückgreifen. Der schlichte Hinweis auf das familiäre Näheverhältnis ist nicht ausreichend. Eine strengere Beweislast besteht schließlich insbesondere in Fällen, in denen die Bedarfspersonen außerordentlich günstigere Konditionen angeboten bekommen. Für die Mieter zeigt sich anhand dieses Urteils, dass auch in vermeintlich aussichtslosen Situationen eine Abwehr der Eigenbedarfskündigung möglich ist. Dadurch ist bis zur Erklärung einer neuen etwaigen Eigenbedarfskündigung eine Menge Zeit für die Ersatzwohnraumsuche gewonnen. Auch bieten solche Niederlagen des Vermieters für den Mieter Gelegenheit einen günstigen Vergleich abzuschließen.
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