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Der Fall vor Gericht
Der Mieterin wurde im Jahr 2020 wegen Eigenbedarf gekündigt. Gegen diese Kündigung legte die Mieterin Widerspruch ein mit der Begründung, dass sie infolge einer im selben Jahr erlittenen Verlust ihres Babys psychisch schwer angeschlagen sei. Weiterhin wurde geltend gemacht, dass die Mieterin unter Depression, Mutlosigkeit sowie einer Angststörung leide.
Durch einen Umzug befürchtete die Mieterin nicht mehr eigenständig leben zu können, da die Wohnung ihr einziger Rückzugsort sei.
Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht gaben der Räumungsklage unter Gewährung einer Räumungsfrist für die Mieterin statt. Das Landgericht konstatierte, dass das von der Mieterin vorgelegte Attest unzureichend sei, um eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu belegen.
Das Attest sei nach Auffassung des Landgerichts unschlüssig und nicht aussagekräftig.
Daraufhin erhob die Mieterin eine Nichtzulassungsbeschwerde. In der Berufungsinstanz legte die Mieterin zusätzlich ein fachärztliches Attest vor, wonach bestätigt wurde, dass ein Umzug zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Mieterin führen kann.
Bundesgerichtshof sieht Erfordernis der Beauftragung eines Sachverständigen
Mit Erfolg! Der BGH wies die Räumungsklage ab und gab der Nichtzulassungsbeschwerde statt. Der BGH wies die Sache zurück, um den mieterseits geltend gemachten Härtefall vertieft prüfen zu lassen.
Verletzung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs
Nach Auffassung des BGH haben die Gerichte den Anspruch der Mieterin auf rechtliches Gehör, gemäß Art. 103 Abs.1 GG verletzt, indem sie kein ärztliches Sachverständigengutachten über den Gesundheitszustand sowie die behaupteten Auswirkungen einer Räumung eingeholt haben.
Die Gerichte haben nicht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den nach den Ausführungen der Mieterin ihrer drohenden schwerwiegenden Gesundheitsgefahren bei einem erzwungenen Umzug, absehen dürfen. Das Landgericht habe ohne eigene medizinische Sachkunde, das vorgelegte ärztliche Attest als unverständlich und unschlüssig beurteilt. Dabei ist die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens von Amts wegen im Rahmen einer Härtefallprüfung unerlässlich.
Aufklärungspflicht des Gerichts bei fehlender eigener medizinischer Sachkunde
Eine gravierende Gesundheitsverschlechterung, welche auf einen Wohnungswechsel zurückzuführen sei, stellt schließlich einen genauer zu untersuchenden Härtegrund im Sinne des § 574 Abs.1 S.1 BGB dar. Nach Auffassung des BGH sind die Richter auch hier dazu angehalten, sich durch gründliche und sorgfältige Sachverhaltsdarstellung vom Vorliegen der von dem Mieter geltend gemachten Härtegründe und die berechtigten Interessen des Vermieters zu überzeugen. Der Einwand der Mieterin wurde auch schlüssig vorgetragen. Denn in dem von der Mieterin vorgelegten Attest stellte ein Facharzt die Diagnose, bei der Mieterin bestehe eine rezidivierende depressive Störung bei derzeit schwergradiger depressiver Episode und führt aus, dass die im Raum stehende Zwangsräumung ihrer Wohnung die über Jahre schwergradige depressive Störung der Mieterin erheblich vertiefen könnte, wobei selbst gefährdende Tendenzen nicht auszuschließen seien.
Bedeutung für die Praxis
Der Bundesgerichtshof stellt abermals klar, dass eine genaue und strengere Prüfung eines Härtefalls in Räumungsklagen zu erfolgen hat. Insbesondere wird klargestellt, dass Mieter, die im Rahmen eines Räumungsverfahrens nach einer Eigenbedarfskündigung einen Härtefall geltend machen, einen Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne des Art. 103 Abs.1 GG haben. Dieser Einwand muss stets richterlich gewürdigt werden. Ferner sollte der Mieter im Falle eines Härtefalleinwandes auch bereits außergerichtlich mittels aussagekräftige fachärztlicher Atteste seinen gesundheitlichen Zustand umfassend darlegen.
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