0221 1680 65 60
Wird einem Mieter aufgrund von Eigenbedarf gekündigt, hat er nach § 574 I BGB das Recht dieser Kündigung zu widersprechen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine unzumutbare Härte bedeuten würde.
Durch das BVerfG ist anerkannt, dass das Besitzrecht, welches der Mieter aufgrund seines Mietvertrags an der Wohnung hat, ein vermögenswertes Recht entsprechend dem Eigentum des Vermieters (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) ist.
Das Gericht muss aufgrund des Konflikts der beiden verfassungsrechtlich geschützten Eigentumspositionen eine umfassende Interessenabwägung vornehmen. Hierbei muss das Bestandsinteresse der Mieter mit den Erlangungsinteressen des Vermieters gegeneinander abgewogen werden um einen angemessen Ausgleich zu finden.
Das Urteil des Amtsgericht Köln (Az. 201 C 39/23) verdeutlicht die Komplexität der Entscheidung über Eigenbedarf.
Kündigung aufgrund von Eigenbedarf erfordert ein berechtigtes Interesses auf Seiten der Vermieter
In dem zu entscheidenden Fall, kündigten die Eigentümer der streitgegenständlichen Wohnung, den Mietern aufgrund von Eigenbedarf. Sie benötigten eine größere Wohnung, da ihrem Sohn in der bisherigen Wohnung ein eigenes Zimmer fehlte.
Die Mieter widersprachen der Kündigung aufgrund von Härtegründen gem. § 574 Abs. 1 BGB. Hier führten sie unter anderem auf, dass die Mieterin an einer Multiplen Sklerose mit paraspastischen Syndrom und Depression litt und ihr Mann an COPD erkrankt war. Somit waren beide auf eine barrierefreie bzw. barrierearme Wohnung im Umfeld ihrer behandelnden Ärzte angewiesen.
Zudem war die Tochter, aufgrund ihres bevorstehenden Schulabschlusses, auf die Nähe zur Schule angewiesen.
Trotz Bemühungen seitens der Mieter konnte kein geeigneter Ersatzwohnraum gefunden werden. Die Eigentümer boten den Mietern ihre bisherige Wohnung als Tauschwohnung an, die Mieter sahen diese jedoch nicht als geeignet an.
Die Eigentümer begehrten mit ihrer Klage die Herausgabe und Räumung der Wohnung. Die Mieter beantragten hingegen die Klage abzuweisen, da die Beendigung des Mietverhältnisses für sie eine unzumutbare Härte darstelle, welche auch unter Berücksichtigung etwaiger berechtigter Interessen der Vermieter nicht zu rechtfertigen gewesen wäre.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Amtsgericht sah die Klage der Vermieter als begründet an, da es die Eigenbedarfskündigung für berechtigt erachtete. Damit wurde das Mietverhältnis durch Kündigung wirksam beendet.
Für eine Eigenbedarfskündigung muss gem. § 573 Abs. 1 BGB ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses bestehen.
Dieses liegt bei der Eigenbedarfskündigung gem. § 573 Abs. 1, 2 Nr. 2 BGB vor, wenn der Eigentümer die Wohnung für sich benötigt. Dabei muss ein Nutzungsinteresse von hinreichendem Gewicht bestehen, wobei die Darlegungs- und Beweislast beim Vermieter liegt. Dementsprechend muss der Erlangungswunsch des Eigentümers vom Gericht gem. § 286 ZPO auf Ernsthaftigkeit geprüft werden.
Nach Beweisaufnahme stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Eigentümer ernsthafte Gründe hatten, in die streitgegenständliche Wohnung einzuziehen. Dabei war für das Amtsgericht Köln ausschlaggebend, dass der Sohn der Eigentümer in der bisherigen Wohnung kein geeignetes Zimmer hatte und keine angemessene Rückzugsmöglichkeit bestand. Zudem standen den Vermietern keine Ersatzwohnräume zur Verfügung.
Da das BVerfG das Besitzrecht des Mieters aufgrund der Bedeutung der Wohnung als Lebensmittelpunkt ebenfalls in den Eigentumsschutz aus Art. 14 GG einbezieht, ist bei der Anwendung des § 574 BGB eine umfassende Interessenabwägung des Einzelfalls durch das Gericht vorzunehmen.
Bei der Wertung der jeweiligen Belange ist das Grundrecht aus Art. 14 GG des Eigentümers über dessen Eigentum nach eigenem Belieben zu verfügen, zu berücksichtigen.
Dem Mieter steht jedoch ein Anspruch auf eine sorgfältige Überprüfung des Erlangungswunsches des Vermieters zu, wobei den Einwänden der Mieter in einer Weise nachzugehen ist, die der Bedeutung seines Bestandsinteresse entspricht.
Nach Auffassung des Gerichts lagen im konkreten Fall allerdings keine Härtegründe gem. § 574 Abs. 1 BGB vor.
Die Mieter konnten nicht hinreichend darlegen, dass kein angemessener Ersatzwohnraum vorhanden war und bemühten sich nicht ausreichend um eine alternative Wohnung. Die Behauptung, die Tauschwohnung sei aufgrund von Platzmangel ungeeignet, wurde vom Gericht nicht akzeptiert, da keine Notwendigkeit für einen Rollstuhl bestand und zudem zumutbare Anpassungen möglich gewesen wären. Mit der Räumungsfrist wurden sowohl der Schulabschluss der Tochter als auch eventuell entstehende Umzugsbelastungen mitberücksichtigt.
In der Folge verurteilte das Amtsgericht Köln die Mieter zur Räumung und Herausgabe der streitbefangenen Mieträume.
Praktische Bedeutung der Entscheidung
Dieses Urteil verdeutlicht, dass das Besitzrecht von Mietern auch in den Schutzbereich des Art. 14 GG fällt und somit die Position der Mieter bei Kündigungen aufgrund von Eigenbedarf stärkt.
Vermieter sollten sich demnach bewusst sein, dass eine formelle Kündigung allein nicht immer ausreicht, um eine Räumung zu erreichen. Vielmehr wird im Falle eines Widerspruchs seitens des Mieters der Erlangungswunsch des Vermieters durch Fachgerichte sorgfältig überprüft.
Der Mieter muss hingegen beachten, dass er bei einem Widerspruch aufgrund einer unzumutbaren Härte, die angeführten Gründe substantiiert darzulegen hat. Auch diese werden intensiv durch das Gericht geprüft und im Wege einer Interessenabwägung mit den Rechten des Vermieters in Ausgleich gebracht.
Beide Parteien eines Mietverhältnisses sollten sich also über Ihre Rechte und Pflichten im Falle einer Kündigung in Verbindung mit einem Widerspruch nach § 574 I BGB informieren und ihre jeweiligen Interessen und Belange nachweisen sowie belegen können.
0221 1680 65 99