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Eigenbedarf und Härtefall
Das Bürgerliche Gesetzbuch räumt Vermietern grundsätzlich die Möglichkeit ein, Mietern einer Wohnung wegen Eigenbedarf zu kündigen. Das gilt jedoch nur, wenn sie die Wohnung für sich selbst, nahe Verwandte (Kinder, Eltern, Geschwister, Nichten, Neffen etc.) oder Haushaltsangehörige (Hausangestellte, Pflegekräfte) benötigen.
Allerdings zwingt nicht jede wirksame Eigenbedarfskündigung den Mieter auch zum Auszug bzw. dazu, eine Räumung akzeptieren zu müssen: kann sich der Mieter im Rahmen seines Widerspruch auf einen sog. Härtefall berufen, kann ein Mietverhältnis trotz wirksamer Kündigung wegen Eigenbedarf fortzusetzen sein, eine Räumung ist ausgeschlossen.
Worüber das Gericht entschied
Das Amtsgericht München urteilte in folgendem Fall: eine Vermieterin kündigte gegenüber einem 89-jährigen Mieter wegen Eigenbedarf. Zu diesem Zeitpunkt lebte der Mann mehr als 40 Jahre in dieser Wohnung, zunächst mit seiner Frau, die jedoch zwischenzeitlich verstorben war.
Die Wohnungseigentümerin wollte ihre 80-qm-Wohnung ihrem erwachsenen Sohn zur Verfügung stellen, der bisher in einem kleinen Zimmer bei seinem Vater lebte. In dieser Wohnsituation war es für den Sohn allerdings nur schwer möglich, das Umgangsrecht mit seinem Kind auszuüben: immer wenn das Kind Zeit beim Vater verbrachte, musste die Wohnung zu diesem Zweck umgestellt werden.
Der Mieter wollte die Kündigung jedoch nicht akzeptieren und machte einen Härtefall vor Gericht geltend: er leide an einer Hüfterkrankung, auch seine Knie seien nicht gesund. Außerdem sei er sehr stark sozial im Umfeld seiner Wohnung verwurzelt und würde in seinem Alter keine neue Wohnung finden.
Selbstmordgefahr: keine Räumung trotz Eigenbedarf
Vor dem Amtsgericht München erhielt der Mieter Recht. Zwar konnte die Vermieterin das Mietverhältnis wirksam wegen Eigenbedarf kündigen. Ihrem Sohn die Wohnung zu Wohnzwecken zu überlassen, damit er dort auch das Umgangsrecht mit seinem Kind ausüben kann, genügt den Anforderungen an Eigenbedarf.
Und doch konnte der Mieter erfolgreich einen Härtefall geltend machen. Er konnte damit erfolgreich darauf bestehen, in der Wohnung bleiben zu dürfen. Dabei war allerdings nicht der physische Gesundheitszustand des Mieters ausschlaggebend, sondern sein psychischer Gesundheitszustand. Ein Sachverständigengutachten kam zu dem Ergebnis, dass bereits die Eigenbedarfskündigung bei dem Mann eine „mittelschwere depressive Episode“ ausgelöst hatte.
Der Verlust der Wohnung und damit seines Lebensmittelpunktes sei für den alleinstehenden alten Mann ein nicht zu lösendes Problem, das bei ihm Suizidgedanken auslöse. Es wäre außerdem zu befürchten, dass sich der Zustand des Mieters bei einem zwangsweisen Auszug aus der Wohnung verschlechtern würde und ggf. eine schwere depressive Episode verursachen könnte – auch ein Suizid des Mannes wäre dann denkbar. Das sei nicht hinnehmbar.
Dem Mieter sei es nicht zumutbar, in seiner Situation aus der Wohnung verwiesen zu werden. Das Mietverhältnis sei auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Denn es sei nicht absehbar, ob und wann die Selbstmord-Gefahr des knapp 90-jährigen Mieters enden würde.
Fazit
Eine an sich berechtigte Eigenbedarfskündigung führt nicht immer dazu, dass das Mietverhältnis beendet und eine Wohnung zwangsgeräumt werden kann. Denn kann sich der Mieter auf einen Härtefall berufen, kann das Mietverhältnis trotz bestehendem Eigenbedarf fortzusetzen sein.
Das kann u.a. der Fall sein, wenn durch die Kündigungssituation ein Selbstmord des Mieters nicht auszuschließen ist. Aber auch drohende Obdachlosigkeit etc. kann einen Härtefall darstellen.
Wurde Ihnen oder einem älteren Angehörigen wegen Eigenbedarf gekündigt? Sie wollen gegen diese Kündigung vorgehen und z. B. einen Härtefall geltend machen? Sprechen Sie mich an!
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